Zeitläufe

Die Menschen standen vor ihm wie Monumente, als stünden sie dort seit tausenden von Jahren.

Erst, wenn seine Schritte keine Spuren mehr im Schnee hinterlassen; wenn seine Aufzeichnungen als die wirren Verheißungen eines Irregeleiteten verboten werden; wenn jede Erinnerung an ihn sich als ungebührlich erweist und seine Geburt aus allen Büchern gelöscht wird; wenn man über seinen Namen stolpert wie über unwegsames Gelände, das es zu vermeiden gilt; erst dann setzt er sich zur Ruhe und ist mit sich zufrieden.

Nur das Ortseingangsschild erinnerbar, alles Dahinterliegende von der Zeit verschüttet.

Die Angst vor zu tiefen Gedanken, aus denen man nicht wieder herausfindet.

Er verachtet den langsamen Zerfall, der immer zu schleppend daherkommt. Er braucht die Zudringlichkeit und Härte des Untergangs, der unwiederbringlich alles zerstört, ohne eine vermeintliche Hoffnung auf Wiederaufbau am Leben zu erhalten.

Der Zeitflüchtige: Er sucht sich eine Zeitzone und lebt in ihr, bis er alle ihre Stunden kennt. Dann wechselt er und hofft, dass eine bekannte Stunde an ihm vorüberzieht, sodass er sagen kann: „Dort habe ich gelebt.“ Aber er wartet bis heute, und niemand hat ihn je gefragt, wie viele Stunden er bewohnt hat.

Die verschwommenen Nachbilder seiner Vergangenheit.

Kein Ursprung, sondern alles liegt bereit, lag schon immer so da, ohne, dass es erschaffen worden wäre.

Er opfert sich seinen Gedanken, nur sie sollen ihn überleben, jeden weiteren Atemzug könnte er sich nicht verzeihen.

Sich Enkelkinder wünschen, die von einer besseren Vergangenheit erzählen.

Einer, den die Geschichte sich für später aufspart. Man weiß um sein Schicksal, aber die Zeit ist noch nicht reif für ihn. So erfindet man vorläufige Taten, die er vollbracht haben soll, um die Ungeduldigen zu besänftigen, die seinen Erfolg herbeisehnen.

Weisheiten mit Sperrfrist: Erst im nächsten Jahrtausend darf man von ihnen Gebrauch machen, einmalig, dann werden sie wieder versiegelt und der nachfolgenden Menschheit übergeben.

Wie gern würde er alles erst kurz vor seinem Lebensende entscheiden. Dann bliebe ihm keine Zeit mehr für Reue.

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