Die Wortdrescherin

Die Wortdrescherin redet Unsinn und meint’s nicht so. Wie reife Nüsse sammeln sich die Wörter in ihrem Mund, und wenn es derer zu viele sind, weil sie sie zu lange gewogen hat, fällt eins hinaus und wird von ihren Zuhörern geknackt. Immer wünscht sie sich, es wäre ein anderes Wort, das da am Boden liegt, denn was hätte sie nicht alles zu sagen! Geistreiches und Kunstvolles, Bonmots und Aphorismen; müssen es immer die einfältigsten Gedanken sein, die aus ihr herauskullern? Die Scham hält sie davon ab, sie aufzuheben und wieder in den Mund zu stecken, und so hofft sie, dass die Schale zu hart ist und ihr Inhalt nicht zum Vorschein kommt. Zu ihrer Erleichterung hat sich schon manch einer die Zähne an ihren Worten ausgebissen, doch oft genug sind sie mühelos zu öffnen, und dann trifft sie der verständnislose Blick der anderen bis ins Mark.

Die Wortdrescherin ist nach einer solchen Erniedrigung nicht mehr Herrin ihrer Sinne, reißt den Leuten das aufgebrochene Wort, von dem sie hintergangen wurde, aus den Händen und drischt mit ihren Fäusten darauf ein. Vor den Augen ihrer Zuhörer prügelt sie sich in einen Rausch, jeder Schlag begleitet vom Klappern und Klackern der ängstlich umherspringenden Worte in ihrem Mund, bis sie sich verausgabt hat oder das Wort um Gnade winselt. Es kommt vor, dass sie nach vollzogener Strafe für die nächsten Tage verstummt, da sich ihre Wörter nicht mehr über ihre Zunge trauen und weit unten im Kehlkopf verharren. Man hört sie dann nur noch leise röcheln, als würden die Überlebenden Rache an ihrem gefallenen Kameraden nehmen wollen.

Welch hohes Ansehen würde die Wortdrescherin genießen, könnte sie vorbehaltlos sagen, was ihr durch den Kopf geht! Aber die Beschränktheit der anderen hindert sie daran, sie tragen Schuld an ihrer Zurückhaltung und sorgen dafür, dass sie alles doppelt und dreifach wiegen muss, bevor sie es äußern darf. Unzählige Worte hätten gerettet werden können, wenn nicht die Engstirnigkeit ihrer Mitmenschen wäre. Doch diejenigen unter ihnen, die schon etliche ihrer Nüsse haben aufbrechen müssen, wissen ganz genau: Sollte die Wortdrescherin irgendwann einmal von ihrer Rücksicht absehen und so daherreden, wie sie’s tatsächlich meint, wäre die Welt taub von ihrem sinnentleerten Geraspel.

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